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Belsize Park, das war das einzige, das ich fest auf meiner „To visit“-Liste hatte für diese Reise. Denn Belsize Park ist numerologisch 52. Genau wie ich.
52 Belsize Park ist außerdem der Ort, an dem ich vor vier Jahren einen der magischsten Tage meines Lebens erlebt habe. Und immer noch hoffe ich, etwas davon wieder zu finden. Doch ich war nun mittlerweile drei mal wieder dort und jedesmal begegnete mir der Ort freundlich, aber zurückhaltend. Ich muß es wohl einsehen: Magie ist ein scheuer Vogel und ein Tag, an dem sich alle Kreise schließen, ist nicht wiederholbar, auch wenn die Zahlen stimmen. Dennoch bin ich froh, dort gewesen zu sein. Es erspart mir das „what if…“ für den Rest meines Lebens.

Geburtstag in London, das hatte ich öfter. Und Sonne auch. Aber dennoch ist beides immer wieder was Besonderes. Und so war meine Stimmung gut. Ich füllte mich mit den üblichen „little helpers“ ab, in erster Linie mit Schüßler 3, ohne das gehen ja Anstrengungen gar nicht. Ein weiterer Versuch der Erschöpfung gegenzuarbeiten war ein Orangensaft mit Turmeric aus dem Sainsbury’s Local (der Verkäufer: „Hello, my love, how are you?“), aber das Zeug war so höllisch scharf, daß ich es leider nach 2 Schlucken entsorgen mußte. Im Bus ist es leer und kalt und ich wünschte, ich säße nicht direkt neben der sich dauernd öffnenden Tür. Und wenn, daß der Fahrer sie immer wieder umgehend schließen würde. Was er lieber an heißen Tagen tut, wo es ohnehin schon stickig ist. Die Misstemperierung Londoner Busse ist natürlich eigentlich sehr vertraut, ich hatte  es allerdings schon wieder vergessen.

So konzentriere ich mich auf kleine Eindrücke (ein Laden mit dem göttlichen Namen „The drunken Butler“, ein ehemals weißer Van in dessen Dreck geschrieben stand „Little fella“ und das mir schon von Googlestreetview bekannte wunderbar graue Haus „The Griffin“ (ein Club?), das mich dazu brachte, mir den Greifen als mein Schutztier auszusuchen. Daneben ist irgendwo der „Magma“ Bookstore, in den ich unbedingt noch will, aber nicht jetzt).

Am Russell Square das neu eröffnete alte Hotel Principal. The new Fitzroy
Einmal in einer Filmkulisse übernachten. Herrlich von außen, aber viel zu teuer und außerdem an einer viel zu lauten Ecke. Dennoch kultig.

An Euston Station total voll. Jetzt schon? Alles hupt. Transporter mit Aufschrift „Aqua amore“. Blaue Plakette für Charles Dickens (sicher eines von mehreren Häusern). Ein Typ, ziemlich abgerissenen Aussehens und mit übler Ausstrahlung, aber einem freundlichen Hund steigt ein. Sein Blick zu mir ist nicht zu deuten, verachtend, wie mir scheint. (Why?) Ich sehe selten Menschen, die mir ganz unsymapthisch sind.

Dann endlich in Camden.
With LOVE from Camden Eigentlich wollte ich nur durchfahren, aber die Street Art treibt mich aus dem Bus. Das MUSS ich fotografieren. Shearwater Struggle by Saroj 1
„Shearwater struggle“ von Saroj, deren Arbeiten ich ohnehin mag.
Shearwater Struggle by Saroj 2

Darüber das beeindruckende „Life“ aus lauter Spielzeugknarren. Life
Und um die Ecke Voxx Romana mit einem wirklichen Wow-Effekt-Bild.
Voxx Romana Schützt die Nischen, die Seitengässchen und Hinterhäuser, denn sie sind die besten Street Art Orte. Queer Spaces
Daß die Welt zur altmodischen Glühlampe zurück gefunden hat, finde ich herrlich. Mein Flat ist ebenfalls voll mit den Dingern. Wie sind sie doch freundlich und heimelig.
Light my way (Zuhause habe ich eine Schreibtischlampe aus Ingvar’s Lampenladen, ich meine Möbelladen, mit TEXTILkabel! Wie taktil ist das denn?!)

Vorbei an vertrauten Orten: Camden Lock (schon morgens überfüllt), The Roundhouse (wer ist da alles schon aufgetreten oder fragen wir lieber- wer nicht?!), Chalk Farm Station und The Stables. Künstlichkeit eher als Kunst.

Schließlich und endlich bin ich am Zielort und die Botschaft, die mich noch vor dem Anhalten des Busses empfängt ist klar: Message
Da stehe ich nun und weiß Bescheid. Ich lache. Typisch!
„Sieh mal, mein Kind“, sagt das große weis(s)e Universum: „Du kannst niemals in den gleichen Fluß zweimal springen“.
Daunt Books Sie (47) steht dort und liest in ein Buch hinein mit 52 (!) Gedichten. Sie liest:

I can’t sit still these days. The ocean is only memory, and my memory as fluttery as a lost dove. (…) If you touched my lips with salt water I would tell you such words, words to crack the sky and launch the ark again.*

In dem Moment weiß sie, das Buch ist ihrs. Dabei war es das letzte, was sie wollte, ein Buch kaufen… 52 Gedichte für jede Woche im Jahr.

Sie(52) steht vor dem Poetry Regal, aber kein Buch summt. Auch kein anderes. Ein paar Titel fallen ihr auf. „Cassandra at the wedding“, „The secret lives of colours“, „A life of my own“ (wer war nochmal Claire Tomalin?). Sie hört der jungen, schwarzen Angestellten zu, die mit ihrem älteren, weißen Kollegen hemmungslos, aber sehr cute flirtet. „It was so great to see you the other day“…. Ihr Lachen ist sanft wie meine Raindance Shower am morgen und seine Erwiderungen halten sie zärtlich auf Abstand.

Pop up London
Und draußen in der Auslage, alles schön, aber irgendwie…
Belsize Remembered Sie (47) will in ihren Gedichtband schreiben: Always remember Belsize Park. Als könnte sie das jemals vergessen. Sie (52) denkt: Gehen wir doch einfach weiter. Zu ihrer Überraschung sieht sie wieder den Mann mit dem Hund, sie hätte nie gedacht, daß dessen Weg HIER hinführen würde. Nun sitzt er auf einer schmalen blauen Fleecedecke auf dem eiskalten Boden und hat seinen Pappbecher aufgestellt, während sein Hund sich auf seinem Zeugs (drei Tüten, ein Rucksack) eingeringelt hat und pennt. Wieder blickt der Typ mich an, undeutbar, mit aggressiver Grundausstrahlung („bloody tourist“? „fat old Kraut“?). Ich atme tief durch und gehe weiter.

Der magische Ort kann auch ein Supermarket sein. Apfel-Kirsch für die 47jährige, Rosen für die 52jährige. Da steht der schlichte Hocker, auf dem ich saß. Just catching my breath. Nun muß ich mich in die Ecke quetschen, die dem Post Office zum Opfer fiel. „Sorry“ war das erste Wort, das wir zueinander sagten und das letzte. Ich glaube, das sagt alles. Damals konnte man noch cash bezahlen, jetzt ist alles automatisiert. Niemand ruft mir etwas nach, niemand folgt mir in den Sonnenschein, niemand… Umbrellas
Ain’t no sunshine, when s/he’s gone…

Im Bioladen bleibe ich so lange und suche meine vertrauten Kekse (ohne sie zu finden, erwäge Schokolade, aber sie ist vegan und kostet 3 Pfund nochwas), daß der Verkäufer mich fragt, ob „everything allright“ sei. Ja, nur daß ich nicht weiß, was ich kaufen soll. Wo ist das Gibraltar Pfund geblieben, mit dem ich damals bezahlen wollte (und nicht konnte)? („The ocean is only a memory…“)

Im Schatten ist es zu kühl. Und laut ist es hier auch. Also gehe ich auf die andere Seite. Sonne. Gut. Bei 10° braucht man das. Ich bin nicht erschöpft, aber ich mache auch alles sehr langsam. Sitze dort, hänge meinen Gedanken nach, versuche mich zu verorten, zu sortieren und zu erspüren, wohin mein Weg gehen wird. Loslassen, noch eine Ebene, noch einen Ring. „You will never come back again…“ (Really?)
Schwarzes Café (ich gehe nicht hinein), downside (ich gehe nicht entlang), don’t look back, „now the real sea beats inside me“.
Ich hinterlasse Zeichen.
Leaving a message Frida Mendel kenne ich nicht, aber sie ging in dem Jahr, in dem ich kam. Ja, ein großes Kommen und Gehen auf diesem Planeten, ach was sind wir doch alle unwichtig, nur für uns selber nicht, deswegen auch haben wir jedes recht ein wenig Trara um uns selber zu machen. Inspiring house
Als ich auf das Haus blicke, steht dort eine Frau am Fenster, barschultrig, mit einer dampfenden Tasse. Lebt sie gerne in London? Ist sie glücklich? Als sie fort ist, lasse ich die Kamera klicken. Das Haus fasziniert mich. Geschichten faszinieren mich. Auch die eigene. Besonders die.

Ich nehme den nächsten Bus zurück…

*Mrs. Noah, taken after the flood (Jo Shapcott)