Weihnachten, immer eine gute Idee, da was Besonderes zu machen. Hätten wir die Knete, wären wir nach Südfrankreich gefahren, aber leider haben unsere vielen Dänemarktrips das meiste verschlungen und die Zeit ist auch zu kurz, deswegen sind wir Zuhause.
Und so kam mir die Idee, das Blaue Album der Beatles nochmal ganz zu hören, nacheinander, jedes Stück. Das habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gemacht.
Meine Liebe zu den Beatles verdanke ich meiner überaus tollen und lieben Englischnachhilfelehrerin Mira Goldbach, die anregte, ich solle Englisch über lyrics lernen und mir ihre Beatlesplatten auslieh und mich ermunterte das Beatles Songbook zu erstehen.
Ich verliebte mich sofort. Die Songs der Beatles holen ein 10jähriges Kind da ab, wo es steht, vor allem ein englandaffines Kind mit einem schon immer leicht schrägen Gehirn (ich sage nur „I am the walrus“).
Und ich habe wirklich und tatsächlich unglaublich viel Englisch gelernt in dem ich alles mitgesungen habe.
Damals, als man noch Platten hörte, hatte man ja gleich mit dem Cover auch immer ein „Gemälde“, ein Bild zum hinstellen. Das Coverfoto vom roten und blauen Album faszinierte mich. Die Idee war einfach cool, die Band in zwei unterschiedlichen Altersstufen am gleichen Ort zu zeigen. (Ich dachte als Kind, die wohnen dort.)
Die CD hat uns dessen ja beraubt und ein booklet ist kein wirklicher Ersatz.
Ich besaß drei Beatles Platten: Rotes, blaues, weißes Album. Später kaufte ich Revolver auf CD und das weiße auch noch mal, nachdem mein altes irgendwo/wie/wann verschwunden war. Das verkaufte ich dann auch wieder, als ich Geld brauchte für unsere Reise(n) und heute besitze ich nur noch die Revolver CD.
Beatles Platten zu haben war schön, denn auf den Platten waren immer die freundlichen Äpfel, die einem auf den ersten Blick sagten, ob man die A oder B Seite vor sich hatte. A=ganzer Apfel, B=halber.
Aber nun zur Musik.
Es beginnt sozusagen mit meinem Geburtsjahr, im Herbst 1966 schrieb John Lennon an „Strawberry fields“ rum und ich witzelte später, daß mich das überzeugte, auf die Erde zu kommen, denn gute Musik würde kommen und die leicht schräge Welt von „living is easy with eyes closed“ war mir schon damals sehr nah. Der Song hat ein so exzentrisches Ende, das ich als Kind aber sofort liebte und mich niemals fragte, was das denn solle.
„Penny Lane“, ein „Kindersong“, der auch im Songbook fantastisch illustriert war. Ich liebte ihn sehr, der Feuerwehrmann mit dem Porträt der Queen in der Tasche, der fallende Regen und vor allem allem allem die hübsche Krankenschwester, die Mohn von einem Tablett verkaufte. Das hab ich als Kind natürlich überhaupt nicht verstanden, erst in den 80ern als ich mich über „The wall“ mit dem 2. Weltkrieg in England beschäftigte und dann 2015, als ich genau dieser Szene begegnete, es war November und an der Station „Embankment“ verkaufte eine Frau der Salvation Army die typischen britischen Mohnblumenanstecker, die JEDER trägt, wenn es an der Zeit ist an Poppy day zu erinnern.
„St.Pepper’s Lonely hearts club band“- das Album, das Mira mir geliehen hat und das ich auf Cassette überspielt hatte, war meine erste Bekanntschaft mit den Beatles und ich fand es grandios. In Beatles Songs war immer was los, Dada und Tamtam, Fanfaren und Chor und rätselhafte Texte.
„With a little help from my friends“, ein Song zu dem ich in meinem Zimmer rumhüpfte und den ich besonders wegen der Fragen liebte: Do you believe in love at first sight- Yes, I’m certain that it happens all the time. What do you see, when you turn out the light?-I can’t tell you, but I know it’s mine.
“Lucy in the sky with diamonds”, Kinderwelt (Julians Kigafreundin Lucy) versus Erwachsenenwelt (LSD). Ich liebe die Geschichte, daß Julian seiner Freundin Lucy, die später an Krebs erkrankte, einen Gutschein schenkte für Pflanzen im Gartencenter, denn sie liebte Pflanzen so sehr.
Die Musik war genial, das Traumverlorene darin ganz meine Kragenweite. The girl with kaleidoskopeyes.
„A day in the life“, eine ganze Zeit lang mein Favorit und Beginn meiner Liebe zu verdrehten Soundwelten und Rückwärtsmusik. Dazu dieser herrlich verrückte, traurige Text. Extremes Kopfkino bei den Lyrics. Ich liebe ihn immer noch sehr.
„All you need is love“- erst später begriffen, daß das die französische Nationalhymne ist am Anfang. Nie den Zusammenhang kapiert als Kind. Kein Stück, das ich mochte. All together now- everybody.
Seite 2
„I am the walrus“- wow und nochmal wow. Ich liebte es so sehr. Ich erfuhr schon bald, daß die lyrics Wortspiele und Verdrehtheiten waren und konnte mich entspannen. „Sitting in an English garden, waiting for the sun…“.
Ich glaube wirklich, daß diese Verschrobenheiten der lyrics in mir irgendwie das Tor geöffnet haben für meine eigenen Wortspiele, LaWendeltreppe ist nur eines davon.
„Hello, goodbye“- nett, aber kein Favorit.
„The fool on the hill“- bis heute bin ich überzeugt, irgendwann und irgendwo ein Video gesehen zu haben, wo Paul Mc Cartney unten ohne als „fool“ in der Ferne zu sehen war. Auch wieder so ein Kinderlied, mit dieser herrlichen Flötenmelodie und der märchenhaften Melancholie darin.
„Magical mystery tour“-Anfang der 90er kauften D. und ich uns den Film auf Video, fanden den aber fast unguckbar, total gaga, aber leider langweilig. Verschenkten ihn an einen Freund, der ihn stoned guckte und genial fand. Vermutlich war er auch so angelegt.
„Lady Madonna“- mit rätselhaften Zeilen, was bedeutet denn „make ends meet“?
Tuesday afternoon is never ending
Wednesday morning papers didn’t come
Thursday night your stockings needed mending
See how they run
Was sind stockings? Das mußte etwas mit der Börse zu tun haben, denn mein Vater sprach öfter von der stock exchange.
(Die Eltern fragen war schwierig: Mutter konnte kein English, mein Vater hatte zu wenig Zeit)
„Hey Jude“- geschrieben von Paul Mc Cartney für John Lennons Sohn Julian, der Text hieß erst „Hey Jules“ und sollte Julian nach der Scheidung seiner Eltern aufmuntern. Kürzlich hat Julian Lennon ein Album rausgebracht und in Absprache mit Paul das Ganze „Jude“ genannt und ihn auch gleich noch den Titel schreiben lassen. Schönes Cover, finde ich. Das Reinhören lohnt sich, auch wenn es mir nicht 100% gefällt. Ich mochte Julian Lennon damals besonders mit „Saltwater“, leider hat der Song nichts an Aktualität verloren, im Gegenteil, man könnte ihn so als Hymne der Umweltaktivisten verwenden.
I have lived for love
But now that’s not enough
For the world I love is dying
(And now I’m crying)
And time is not a friend
(No friend of mine)
As friends we’re out of time
And it’s slowly passing by
Right before our eyes
Auch “Revolution” ist absolut aktuell, besonders durch die Zeile “you can count me out (in)”.
Seite 3
“Back in the USSR”- witziger, dynamischer Song, aber kein Liebling.
„While my guitar gently weeps“- mein persönlicher Favorit, schön melancholisch, sehr George. Die Lyrics!
„Ob-la-di-ob-la-da“, könnte nerven, belustigt mich aber immer, denn als Kind liebte ich wie alle Kinder das Spielchen, bei dem man jeweils ein Elternteil an jeder Hand hat, rennt und dann von ihnen hochgezogen wird, so daß man mit den Beinchen in der Luft ist. Dieses Spiel hatte ich aus irgendeinem Grunde, den ich heute nicht mehr weiß „Ob-la-di-ob-la-da“ genannt. („Noch ein letztes Mal…bütte“)
„Get back“- mochte ich nicht, sagte mir nix
„Don’t let me down“- ich sage nur Rooftop Concert. Geniales Stück mit besonderer Atmosphäre.
„The ballard of John and Yoko“- für mich als Kind grottenöde. (hat sich bis heute nix dran geändert)
“Old brown shoe”- genial, wieder diese typische George-Harrison-Melancholie, großartig.
Insgesamt aber für mich die schwächste Seite. (Mein Mann hatte mal die Theorie, daß von jedem Doppelalbum Seite 3 am besten ist, aber das trifft hier leider nicht zu.)
Seite 4
„Here comes the sun“, wunderbar optimistischer Song, wieder sehr Harrison, wie ich finde. Überhaupt war diese Seite meine Lieblingsseite.
„Come together“, super cool, ich glaube, der erste Song, den ich richtig cool fand, mit seltsamen Textfragmenten, die ich nicht verstand, aber irgendwie stehen lassen konnte, auch sie waren cool in ihrer Rätselhaftigkeit.
He wear no shoe shine
He got toe jam football
He got monkey finger
He shoot Coca-Cola
He say I know you, you know me
One thing I can tell you is you got to be free
“Something”, wieder ein Song, den ich sehr mochte, weich, leicht melancholisch, feinsinnig.
„Octopus’s Garden“- wenn das kein Kindersong ist. Herrlich.
„Let it be“- den Song mochte ich nie. Viele finden ihn grandios, mir sagte er nie was.
„Across the Universe“ und „The long and winding road“, schon immer habe ich diese beiden Songs als Einheit empfunden, als eine Art Meditationsdoppelback und ich kann mich an viele Tage erinnern, an denen ich alleine in meinem Zimmer einfach nur da saß und intensivst lauschte, vollkommen beeindruckt von der Atmosphäre. Keine Ahnung welchen ich besser finde, das kann ich bis heute nicht beantworten. Ich war ein sehr melancholisches, verträumtes, hyperempfindliches Kind und beide Songs empfand ich als tiefen Ausdruck meines Inneren. Das Schwebende, Mystische von „Across the Universe“ und das trauernde, nostalgische, einsame in „The long…“. Dass damit das Album endete empfand ich als sehr stimmig.
Es war eine große Freude, das alles noch mal zu hören. Ich nahm mir dafür zwei Tage Zeit und stellte wirklich fest, daß keiner der Songs für mich nach all den Jahren seinen Zauber verloren hat. Natürlich habe ich sie alle in den letzten Jahren zwischendurch auch einzeln gehört, viele davon Dutzende Male, aber nie mehr so komplett in der Reihenfolge am Stück und nie so intensiv.