Vierundzwanzigster Tag im April 2024

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Das beste an antiquarischen Büchern ist, daß es darin oft Fundstücke gibt, Spuren vorheriger Leser*innen, ich mag das sehr.

In einem Buch, das ich schon eine ganze Weile besitze, fand ich wundersamerweise gestern dieses alte Kalenderblatt.

Buchfindsel

Das weckt Erinnerungen, denn meine Oma, ein großer Gartenfan hatte immer (wirklich immer) Gärtner Pötschkes Gartenkalender. Seit 1957 gibt es den und ich kann mich nicht erinnern, daß der mal nicht im Flur, direkt vor der Küche meiner Oma hing.

Mich faszinierte daran, daß da immer der Sonnen- und der Mondaufgang für jeden Tag drin standen.

Sa und Su, Ma und Mu.

Und immer sah man den eifrigen Pötschke mit Hut, Bart und Schürze seinem Tagwerk nachgehen und es gibt ja immer so viel zu tun und so viel mitzuteilen, dazu gehörten diverse gereimte Sprüche, die teilweise ins Komische gerieten wie etwa:

Dies ist meine Gartenlatte, wie ich sie schon damals hatte.

Aber am 9. März 1974 blieb der Spruch harmlos:

Die Sonne sorgt für Schattenkürzung

– doch bitte keine Überstürzung!

Sprich: Aussaat nur nach umsichtigem Temperaturprüfen.

Und daneben steht noch: Der Garten kennt keine Lügen!

Eine interessante Aussage.

Ja, meine Oma liebte ihren Lichtenrader Garten sehr. Blauregen über der Hollywoodschaukel, Steinplatten die zu Beeten führten, stets und ständig wurde etwas geharkt und geerntet.

Einmal, so erzählte sie mir, lag sie im Krankenhaus und meine Tanten brachten ihr regelmäßig üppigste Blumensträuße vorbei. Die Schwestern: Ja, aber, wo bekommt man denn so schöne Blumen?- Aus meinem Garten, sagte meine Oma da stolz und die Schwestern sagten: Na, jetzt verstehen wir, warum Sie so eilig nach Hause möchten.

Der Garten meiner Oma war mein Kinderparadies. Es gibt diese Geschichte von mir als kleinem Kind, die ich meine Mutter so lange getriezt habe, bis sie mich schnappte und mit mir den langen Weg von Kreuzberg nach Lichtenrade rausfuhr, denn ich war nicht davon abzubringen, daß ich unbedingt in Omas Garten wollte.

Wir saßen in der U-Bahn und ich erzählte JEDEM Fahrgast, daß wir nun zur Oma fahren und die hat einen soooo schönen Garten und eine Schaukel und eine Buddelkiste und….Und jedem neu einsteigenden Fahrgast wurde das wieder erzählt.

Ich habe mich oft gefragt, ob sich die von Natur aus muffeligen Berliner U-Bahn-Fahrgastgesichter aufgehellt haben angesichts dieser kleinen pummeligen Plaudertasche mit der Sehnsucht nach ein bißchen Natur im Großstadtgetriebe.

Auf der Rückseite des Kalenders ein Gedicht mit dem Titel: „Menschen lernet von den Tieren“, das zeitlos immer passt, dort heißt es:

Schau dem Tier in das Gesicht,

nirgendwo der Falschheit Schatten,

Haß und Feindseligkeit gibt es nicht,

nur die Hungrigen und Satten.

Und kaum hatte ich das Buch fotografiert entdeckte ich passend ein kleines, allerliebstes Tier: eine Eidechse, die sich im von der Sonne erwärmten Rund einer leeren Pflanzschale ausruhte.

Eidechschen

Wir hatten ein Gespräch von Tier zu Tier und alles war warm und gut.

Dreiundzwanzigster Tag im April

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Welttag des Buches.

Happy World Book Day

Mein Leben ohne Bücher ist nicht vorstellbar. Ich kann mich kaum an eine Zeit erinnern, wo ich nicht gelesen habe. Und nicht an eine Zeit, in der es nicht tröstlich gewesen wäre, einen Buchladen aufzusuchen, in einem neuen Buch zu blättern, sich im Bett einzukuscheln und den Vorgang des Lesens zu beginnen.

Gerade heute (zufällig, aber passend) frage ich mich, wo ist eigentlich meine Ausgabe der „Unendlichen Geschichte“ und meine Ende-Biographie? Ich will doch noch mal einiges nachlesen, die Kindliche Kaiserin zum Beispiel, ist die nicht ein wunderbares Gotteskonzept? Und ist der Alte Mann, der alles aufschreibt nicht ein Hinweis auf die Akasha Chronik?

Mich haben die Spiritualität und die Moral wertvoller Kinderbücher wie „Brüder Löwenherz“ oder „Momo“ sehr geprägt. Aber es geht nicht nur um den Inhalt, auch alles andere rund ums Buch ist für Kinder weltenöffnend, die Haptik, der Geruch, das Ansehen von Büchern.

Das wiederholte Durchblättern der Lieblingsbilderbücher, das immer wieder Neues entdecken.

Unvergessen, wie mein Vater aus seiner eiskalten Aktentasche ein neues Jahrbuch der Kinderliteratur holte. Er arbeitete damals in Düsseldorf und kam auf dem Weg zum Parkhaus an einem sehr großen Buchladen vorbei, dort hatte er mir einst als ich krank war das erste Jahrbuch „Geh und spiel mit dem Riesen“ mitgebracht und natürlich verlangte ich nach mehr.

Diesen Büchern verdanke ich auch viel, vielleicht sogar, daß ich selber anfing zu schreiben. Obwohl, das war auch schon vorher mein Wunsch. Schon als kleines Kind war Astrid Lindgren mein allerliebstes Vorbild, ich wollte werden, was sie war: eine Schriftstellerin, die Menschen in klaren, schönen Geschichten Wege bereitet tiefe Wahrheiten zu finden. Natürlich war mir das als Kind nicht bewußt, daß das tiefe Wahrheiten waren.  

Allerdings erinnere ich mich genau an dieses Gefühl, wie die Brüder Löwenherz nach ihrem Tod nach Nangijala kamen und ich (10 Jahre alt) dachte: Ich habe es doch gewußt! Es gibt ein Leben nach dem Tod, es gibt eine andere Welt.

Und später dann wird man ja zum Lesewolf und verschlingt einfach ALLES.

Jetzt mit meinem kranken rechten Auge ist Lesen nicht mehr so einfach wie früher, ich brauche bestimmtes Licht um überhaupt noch gut lesen zu können, aber ich lese nach wie vor, allerdings erfordert das eine große Selbstdisziplin die ständig huschenden Mouches auf meiner Linse zu ignorieren.

Nochmal einen ganz lieben Dank geht an Videbitis, der mir von der Hilma af Klint Ausstellung dieses wunderbare Buch mitgebracht hat, das ich sehr empfehlen kann.

Dänemark April 24

Zehnter Tag im April 2024

Ich sitze im Café. Goldmoccafixgold, the art of Barrista, in Ähren erblüht, sugar your bone, ich rühre und der Schaum ist schön süß, ich habe keine weiteren Fragen.

ROSARIUM

SVAALE

PIPPURIKERÄ

Jemand neben mir sagt: Cat Stevens sieht heute besser aus als früher, aber ich bin zu faul, das zu googeln.

Ich lasse mich lieber fallen, gleiten meine ich, oder vielleicht doch fallen. In den Schnee. Und jetzt biegst du mit dem Auto um die Ecke. Die Zeit läuft viel zu langsam. Die Zeit rast/mein Puls rast.

Jemand neben mir sagt: Be the reason someone smiles today. Be the reason someone fucks today. Be a fucking reason. Just fcking be. (Vokale weglassen ist grß n Md.)

Gott, ich höre nix von dir. Freund. Freund, Engelshaar. I wish I had a river to skate away on. Wie wir uns zu viert über einen Strauß Bartnelken auf dem Tresen beugen als Trost und Hinwendung zu schönen, einfachen Dingen nach der Sorge um all das Schwere in der Welt.

Abends das Gefühl mir könnten Tränen aus den Augen strömen. Ich würde gerne weinen, vielleicht, aber ich kann nicht.

Jemand neben mir sagt: Self respect is the secret of good sex.

Warum sind jetzt alle Teebeutel immer pyramidenförmig und aus einer Art Fliegengaze?

Ich ertappe mich öfter bei dem Gedanken, daß ich gerne zuweilen wieder rauchen würde. Einzig und allein dieser sinnlichen Gestik wegen. Im TV Serge Gainsbourg mit Zigarette auf der Bühne, singend.

Erinnerungen an mich selber, genüßlich rauchend, im Zimmer umher gehend, sinnend, was ich gleich schreiben werde. Das Schwitzen von Jaques Brel. Ne me quitte pas. Du sagst, Deutsch sei eine sexy Sprache. Ich lache darüber. Ausgerechnet deutsch.

Kopfschütteln, ein paar Tropfen fallen. Regen aus Ländern, in denen es nie regnet. Deinen Ländern, der Süden, der Süden, die Wüste, die Wüste, ach die Heimat is so feit.

Ich gebe dir mein Leben, ich gehe durch Glasscherben, ich verlasse mein Land für dein Universum.

Jemand neben mir sagt: Alle 7,5 Sekunden wird in Amiland eine Immobilie gepfändet. (Wo leben all diese Menschen???)

Der Kaffee ist kalt. Kommst du mit auf einen Mocca/gleich vis-a-vis/so ein Rendezvous beim Mocca wär du nett, cherie. Cherie, mon trésor. Goldstück. Good as gold.

Liz Fraser sagt, sie sei apollinarisch.

Jemand neben mir sagt: Verzweifelte Kreativität.

Und ich denke an ein Video, warum wir Kurt Vonnegut lesen sollten. Ich habe aber vergessen warum. Ich bin zu faul ihn zu googlen.

Rapelle toi, il pleuvet sans cesse…Erinnerst du dich noch, an den Regen, an die Sonne danach? Tu souriais. Et moi je souriais de même.

Erinnerst du dich an den Blumenladen? Den unter uns?

Und Kerzen, Kerzen, Kerzen. Und der Regen wird zum Schnee.

Und jemand neben mir sagt: Land der Horizonte.

Und ich muß jetzt doch rauchen, das sind die Erinnerungen, die Erinnerungen. Und ich beuge mich über die Zeitschrift und die Kunst schneidet mir ins Herz. Und das Herz, das rührt sich noch und wird zur Kunst. Und ich blase den Rauch in die Richtung, in der keiner sitzt und ich lese:

„A slim, delicate-looking man with spare, almost feminine movements, he’s feeding his cake to a flock of starlings. The sweet, pained smile adds to the effect of tortured sainthood.“

Tell her to make me cambric shirt, Parsley, Sage, Rosemary and Thyme, without no seam, no fine needlework.

Und Lee lächelt, der Adler des Todes, the griffin of gray. Tritt doch näher sagt er. Und jemandem fehlt ein Ohr. Ich blicke auf die Passanten am Piccadilly. Ich kaufe mir einen Ring aus Seegras, eines Tages, eines Tages.

Angel eyes. Wer am meisten liebt, schreibt (Prince) Louis mir auf die Rückseite meines Briefumschlages, ist der Unterlegende und muß leiden. And then they were three.

I don’t buy it. Und Lee lacht sein Koboltlachen. Und Johnny‘s rotten east end life umhüllt mich wie dein Leben und lehrt mich ein anderes Lachen.

Und ich rufe ihm nach: Bring mir die Vogue mit, die italienische. Und er küßt mich auf der Straße und ich denke

Non m’importa della luna

Non m’importa delle stelle

Tu per me sei luna e stelle

Aber natürlich meine ich gar nicht ihn. Porco dio. Ach wie schrecklich ist es doch wen wir alles lieben und wie wir unser Herz immer wieder in den Schmutz schleifen, um es zu vervollkommnen. Über den Asphalt zerren vielleicht. Bitte, laß mich doch wieder an den richtigen Orten sein und ich werde ruhig atmen. Was macht mein Kind, was macht mein Reh?

Einmal muß ich doch ankommen.

Junge Männer reißen Seiten aus ihren Kalendern. Why does he look like me then??? Ich stehe im Fahrstuhl und versuche ruhig zu atmen.

Jemand neben mir sagt: Art is art. Everything else is everything else.

Und meine Nachbarin sagte zu mir als Kind: Portugiesisch ist die schönste Sprache der Welt.

Ich will Caetano Veloso hören. (Aber ich bin zu faul, ihn zu googlen.)

Siri Hustvedt, die innere Stimme, die erzählt und erzählt und niemals schweigt.

(ich könnte endlos in dieser Art weiterschreiben. Ich würde das veröffentlichen und im Vorwort schreiben: Dies ist ein Buch, das nur der Schreiberin Spaß macht, nicht den Leser*Innen.)

Eigentlich ist das ein Webevorgang. Ich nehme reale, unwichtige Kleinigkeiten und webe andere Situationen, Ausgedachtes, Zitate, Erinnerungen und Songlines hinein. Resultat: niemand kann das verstehen.

Aber wer sich fallen läßt, fühlt sich vielleicht irgendwann von dem Gewebe getragen.

Dreißigster Tag im März 2023

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Rudolf Steiners 99ster Todestag.

Und ich fand diese interessanten Notizen im Buch „Mantrische Sprüche“, das ich mir in Berlin in der wunderbaren Steinerbibliothek geliehen habe.

Steiners Todestag

Ich war neulich zum ersten Mal dort und ich liebe es, daß es noch Orte gibt, wo jemand ausgeliehene Bücher von Hand auf Karteikarten einträgt. Wo jemand absolut Fünfe gerade sein läßt und mir ein Buch für 3 Monate überlässt statt der üblichen Ausleihe von 4 Wochen, weil ich so weit weg wohne und nicht regelmäßig in Berlin bin.

Ah the library

Die Bibliothek liegt in einem fantastischen Haus in der üblichen organischen Architektur erbaut in einer interessanten Gegend, die nicht ohne ist. Nicht weit davon die „Villa Riefenstahl“ (die aussieht wie ein ödes Reihenhaus der 80er Jahre) und überhaupt fragt man sich beim Durchfahren durch die Gegend, wieviele der Häuser sind in der Hand von Nazifamilien gelandet, nachdem man die jüdischen Vorbesitzer enteignet hat?!

Auch die Bernadottestraße in Berlin, wo das Steinerhaus liegt, hat so ihre Geschichte. Bevor man sie 1958 nach dem schwedischen Philanthrop Folke Bernadotte benannte, hieß sie Helfferichstraße, nach Karl Theodor Helfferich, einem erzkonservativen und sehr frühen Nationalsozialisten. (Unglaublich, daß die Umbenennung erst 13 Jahre nach dem Krieg erfolgt!)

Schön ist Berlin dort natürlich, allerlei verträumte Villen, Kopfsteinpflaster, die klassischen Laternen, viele schöne Bäume.

Die Bibliothek ist für jemanden wie mich, die ich mich gerade mal wieder anthrosophischen Studien widme, ein Glücksfall. Es gibt auch gebrauchte Bücher zu erstehen zu absolut fairen Preisen. In ruhiger Atmosphäre könnte man dort stundenlang am großen Tisch lesen.

Warum kehre ich seit nun bald 40 Jahren immer wieder zu Steiner zurück?

Das ist nicht leicht zu erklären, es ist einfach ein tiefes Gefühl von Erfülltsein in einem Bedürfnis nach seelenzusammensetzenden Strukturen, die man sonst nirgendwo findet, jedenfalls nicht auf eine Weise, die mir entgegen kommt.

Ich werde immer älter, mein zweiter Saturn-Return (mit 56 Jahren) liegt bereits hinter mir, ich habe seit längerem das Gefühl, es tut gut, sich immer mehr mit der „anderen Seite“ auseinander zu setzen. Wer war das mal, der sagte, man müsse sich im Alter mit dem Tod befreunden?

Aber nicht nur mit dem Tod, sondern auch mit all dem, was in unserer Denkweise und Gesellschaft immer wieder an den Rand geschoben wird, einem ganzen Reich geistiger Energien, einem Leben nach dem Tod, einer Re-Inkarnation, einem Jenseits, in das man doch als spirituell interessierter Mensch nicht unvorbereitet eintreten möchte.

Ich glaube allerdings mich hat all dies schon als Kind interessiert. Vielleicht macht das mein Skorpiondasein, am dia de los muertos bin ich geboren, aus.

Irgendwann müssen wir alle diesen Weg gehen. Verlassen das Irdische und gehen in unsere wahre Heimat.

Bin ich darauf wirklich vorbereitet? Nein.

Macht mir das Angst. Ja.

Aber eben genau darum geht es. Meine Neugierde darauf, löst die Angst ein wenig auf. Ins Dunkle gehen und das Licht finden…

Gewichtchen der letzten Wochen

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Вывоз мусора klingt wie eine seltene Pilzart, ist aber die Müllabfuhr

Das Kyrillische ist mein täglicher Kampf, aber auch meine tägliche Aufgabe, die ich brauche. Ich lerne das so still vor mich hin, ohne Anspruch. Es geht mir nicht darum Russisch zu sprechen, ich will das lesen können und in die Wörter einsteigen, mal so, mal so.

Cyrillic is beautiful...

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Sah mir das Interview Oprah Winfreys mit Viola Davis an. Solch bittere Armut kann man sich einfach nicht vorstellen. Sie ist ein Jahr älter als ich, aber wenn man ihre Kindheitsgeschichte hört, hat man das Gefühl, sie sei in den 30er, 40er Jahren geboren.

Keine Heizung, kaum Essen, kein warmes Wasser, Ratten, die das Gesicht ihrer Puppe wegfraßen in der Nacht. Vermutlich hatte sie das Gesicht oft geküßt und angefaßt und dadurch war es fettig. Die Ratten bei uns in der Garage haben die Deckel von Ölflaschen zernagt, ich weiß also, daß so eine Geschichte stimmen kann.

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HH Speicherstadt

Erstes  Mal wieder in Hamburg, nach WOCHEN. Um nicht zu sagen Monaten. Es ist warm, aber windig und grau mit gelegentlichen Schauern. Wäre es sonnig, wäre es der Wahnsinn, denn es sind 16°.

Mein Auge ist unangenehm, wenn all das helle Licht einströmt und ich fühle mich noch angegriffener als vorher. Es ist unglaublich schwierig für mich so nun noch nach Fotomotiven Ausschau zu halten und ich fürchte, das wird meine Tätigkeit als Fotografierende absolut einschränken.

Ich habe noch nie so wenig Fotos gemacht.

HH Speicherstadt

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Im Buchladen: Nach dem Bezahlen höre ich ein Gespräch mit an, daß die Verkäuferin mit einem Kind führt, ca. 8, 9, das mit seiner Mutter im Laden ist.

„Hast du das schon gelesen?“ „Das auch?“ „Nun, dann empfehle ich dir das….“ Und sie faßt den Inhalt des Buches zusammen, ohne zu spoilern und ich erinnere mich an früher, da war ich das Kind und die Buchhändlerin hat mir was empfohlen und das war immer so wunderbar, weil ich oft merkte, daß Buchhändlerinnen eifrig lesende Mädchen sehr mögen und ihren Job sehr gut machen, wie auch diese.

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Samstagmorgen und in einer Art wütendem Trotz lese ich gegen alle mouches „Die grüne Schlange“ aus. Als ich das geschafft habe, ohne zu verzweifeln, geht es mir besser.

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„Hat das Erdenkleid abgelegt“ (als Synonym für sterben)

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Und das Lee Mc Queen Buch. Eine ganz außerordentliche Wirkung geht davon aus. Es war gut, es zu kaufen, es hat irgendwas. Nicht inhaltlich, äußerlich.

The world according to Lee McQueen

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Ein extremer Traum, den ich hatte: wieder einmal war ich nur Zeugin des Geschehens und nicht beteiligt. Ein Typ wurde in Russland dazu verurteilt, daß er keine Kleinbuchstaben mehr benutzen durfte. Dann endlich durfte er wieder und man sah ihm die Erleichterung an. Er bekam das ch, also x auf einen Schlitten geladen, den er hinter sich her zog durch den Schnee einer Großstadt.

Ich beobachtete das und dann verwandelte sich das „ch“ in einen Fleischklumpen, der aussah wie ein Totenkopf und ich bemerkte, daß jeder Mensch in der Stadt so einen Schlitten hinter sich herzog, dem ein Fleischklumpen in Totenschädelform aufgeladen war.

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Suchte so rum und entdeckte wunderschöne Gedichte von Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew.

(….)Verstehe, nur in dir selbst zu leben:

es gibt in deiner Seele eine ganze Welt

geheimnisvoll-zauberhafter Gedanken;

sie betäubt der äußere Lärm,

die Strahlen des Tages vertreiben sie;

lausche ihrem Gesang – und schweige…..

Man könnte ein ganzes Leben nur in Russischer Literatur verbringen und wäre bis zum Rand gefüllt mit wunderbaren Texten.

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Und sehr zum Lachen brachte mich, daß ich eine Doku über Mormonen sah, wo es darum ging, daß Dokumente auftauchten nach denen Joseph Smith nicht etwa einem Engel begegnet ist, sondern einem WEISSEN SALAMANDER.

Wo kommt denn der wunderbare weiße Salamander her?

Egal welcher Salamander, schon das Wort ist wunderbar und das Tier sowieso. Auf Russisch: саламандра.

(In der Doku sagte jemand, das sei vergleichbar damit das Moses seine 10 Gebote nicht von Gott erhalten habe, sondern von einer Inkarnation von Elvis.)

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„Das erste ist Demut. Demut läuft darauf hinaus, zu verstehen, dass die Welt nicht in gute und schlechte Menschen geteilt ist, sondern dass sie aus allen möglichen Individuen besteht, von denen jeder auf seine eigene Weise zerbrochen ist, jeder in den gemeinsamen menschlichen Kampf verwickelt ist und jeder die Fähigkeit dazu hat sowohl schreckliche als auch schöne Dinge tun. Wenn wir wirklich begreifen und anerkennen, dass wir alle unvollkommene Geschöpfe sind, werden wir toleranter und akzeptieren die Unzulänglichkeiten anderer und die Welt erscheint weniger dissonant, weniger isolierend und weniger bedrohlich. Die andere Qualität ist Neugier. Wenn wir neugierig auf Menschen blicken, die unsere Werte nicht teilen, werden sie eher interessant als bedrohlich. Als ich älter wurde, habe ich gelernt, dass die Welt und die Menschen darin überraschend interessant sind und dass sie umso interessanter werden, je mehr man hinschaut und zuhört. Die Entwicklung eines fragenden Geistes, dessen wichtigstes Instrument das Gespräch ist, bereichert unsere Beziehung zur Welt. Ein Gespräch mit jemandem zu führen, mit dem ich möglicherweise nicht einverstanden bin, ist meiner Meinung nach ein großes, lebensübergreifendes Vergnügen.“ (Nick Cave über was wichtig ist im Leben)

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ты самая особенная из всех возмошмюх особ

Wunderbar auch im Russischen, daß das Wort особа für Person von besonders kommt. Also du bist die außergewöhnlichste aller möglichen Personen.

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Ich träumte, ich sollte das Märchen von der Baba Jaga analysieren, träumte wie ich anfing darüber zu schreiben. Jemand sagte: Das ist sehr bedeutsam. Denk doch nur an das Licht, das Licht der Wassilissa und auch ihr Name sei bedeutsam.

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Schon wieder ein seltsamer Traum.

Ich sah im TV eine amerikanische Sendung, in der Leute alle ein kleines Büchlein bekamen, wie ein Rabattmarkenheft. Dann wurde auf einer großen Schautafel aufgeführt, was zu tun sei und zwar: „To cross out the black chipmunk“. Zu sehen war auf der Tafel allerdings etwas das aussah wie ein Eichhörnchen (ich dachte: ist das nicht squirrl?) nur eben in schwarz.

„There is nothing bad, that can withstand the crossing out of the black chipmunk!” Und so hatte man in seinem “Rabattheftchen” das schwarze Eichhörnchen durchzustreichen und Unglück wäre dann abgewendet.

(PS: Black Chipmunks gibt es wirklich und sie sehen tatsächlich genauso aus wie in meinem Traum: schwarze Eichhörnchen)

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Vor uns fährt ein Tesla und D. und ich sind uns einig, daß wir schon das Auto-Emblem grauenhaft finden, aggressiv.

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Die Beisetzung von Nawalny und tausende haben den Mut dahin zu gehen! Unglaublich.

Sie skandierten: Любовь сильнее страха und ich lernte ein neues Wort: страх- die Angst. Strahch, schon der Klang dieses Wortes ist unglaublich. Das deutsche Angst ist auch ganz gut, aber harmlos dagegen und fear ist nur ein Hauch und klingt nicht nach Angst (gibt es deswegen den Begriff Angst auch im Englischen?). Aber Strrrahch, das ist hart und dunkel, kalt und hat Eisengeschmack im Mund.

(Später schreibe ich den Satz einfach in einen Brief, der nach Moskau geht.)

(Später reden ein paar Russen auf der Straße vor unserem Haus. Ich verstehe nur ein Wort: Germani.)

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S. fand im Altpapier ein altes Sinn und Form Buch, DDR, 1986. Da es Gedichte von Marina Zwetajewa enthielt, nahm sie es mit. Der Geruch ist unbeschreiblich. Die Gedichte waren interessant, zwei kannte ich bereits, das dritte war mir unbekannt. Seltsamerweise nicht übersetzt von Elke Erb.

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Interessant sich mit dem Kind über Spirituelles zu unterhalten. Ich fragte sie nach ihrer Spiritualität als Kind und sie sagte: „Als Kind ist man spirituell ein Meister!“

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Hamburg 8.3.24

S. dachte das Wort Schose wäre ein Synonym für Scheiße.

Zurecht regte S. sich darüber auf, daß nun alle Denke statt Denkweise oder Gedanken sagen und Sprech statt Sprache. Wie hat das angefangen?

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Gedanke: Fast alle Menschen die professionell Songs aufnehmen singen in einer einsamen kleinen booth, ganz allein.

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Die Lyrics:
Things from the forests die here/But I don’t

Dead forest things are offered here/But I’m not

Frauen, die ungewöhnliche Texte singen. Ungewöhnliche Frauen in Texten.

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Landete bei Goethes Metamorphose und Urpflanze. „Alles ist Blatt“. Sehr interessant.

Goethe: Als Künstler bin ich Polytheist, als Naturwissenschaftler Pantheist.

Und:

Jede Pflanze verkündet dir nun die ew’gen Gesetze,
Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir.
Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern,
Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug.

Ich frage mich: Ist Gott ein Tier? Ist Gott eine Pflanze?

(Gewitzle mit D. darüber, daß Gott ein weißer Salamander ist., diese Mormonen-Schose.)

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Träumte davon, daß jemand zu mir sagte: Am besten schreibt man das Wort erkrænkt immer so, damit man auch genau weiß, woher das wirklich kommt: von gekränkt sein.

Hamburg 8.3.24

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Gedanke: Warum eigentlich ist es schlimm, weltfremd zu sein, wenn doch die Welt in der wir leben so brutal und auf allen Ebenen eigentlich unerträglich ist. All das Leid der Menschen, die Kriege, die Ungerechtigkeit, die Zerstörung der Natur, die Gier des Materialismus, ist das nicht eigentlich geradezu normalen, seelenbewahrendes Verhalten, weltfremd zu sein?

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Kam auf den irrsinnigen Gedanken die Wochensprüche von Steiner mit Beuyschen Tieren zu füllen.

Ich fühle Kraft des Storchenseins: 
So spricht Hasenklarheit, 
Gedenkend eignen Reihers Wachsen 
In finstern Coyotennächten, 
Und neigt dem nahen Bienentage 
Des Hirsches Hoffnungsstrahlen.

***

Ostwind und die Geräusche der Dorfstraße kommen einem überlaut vor. Den ganzen Tag war es grau und windig, eiskalte Luft, wenn man das Fenster öffnet. Aber so intensive Vogelstimmen. Die Knospen des Flieders. Das saftig grüne Gras.

Bekam wunderbare umsichtige Post. Jemand aus Spanien schickte einen kleinen Hippiebus Aufkleber. Wie nett, sofort fällt mir unser alter Bus ein und unsere Spanienreisen!

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Vierter Tag im Februar 2024

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но кто поверит гусям.

Doch wer hört schon auf Gänse? Heißt die Übersetzung einer Zeile aus einem Gedicht von Maria Stepanova. Wörtlich heißt es: Aber wer wird den Gänsen glauben?

Poems German/Russian

„Gußjam“ sind die Gänse. Und ich fuchse mich Schritt für Schritt immer noch in die Buchstaben, lerne ein p als r zu lesen und ein c als scharfes s und das wunderbare spiegelverkehrte R bezeichnet im russischen das Ich=Ja.

Wenn die Deutschen also Ja sagen, höre die Russen nur „ich, ich“, so wie wir „da, da“ hören und uns fragen: wo wo?

S. und ich sahen uns alte Folgen von „Russisch bitte“ an, eine Telekollegserie der 80er Jahre mit unfreiwilliger Komik. Die Langsamkeit alter TV-Sendungen ist legendär, aber wohltuend! Man lernt sogar recht gut damit.

Ich überlege, ob ich mir ein Russisch Lehrbuch kaufen soll.

Aber Lesen ist mir nicht mehr möglich, nur noch ganz kurze Abschnitte und nichts Kleingedrucktes mehr. Jeder Sehvorgang ist mega-anstrengend. Mein ständig übermüdetes Auge tränt unentwegt. Diese neue Wirklichkeit auszuhalten ist extrem schwierig für mich. Aber ein Grund mehr mich den Gedichten hinzugeben, wenn die Zeile kurz sind, hält sich das Huschen der grauen Schleier in meinem Auge in Grenzen.

Nächste Woche rufe ich Augenärzte an, ich kann mir nicht vorstellen, daß das so bleiben kann. Meine ohnehin schon arg eingeschränkte Lebensqualität hat dadurch nochmals eine Talfahrt erlitten.

Und so ist schon wieder das Diktaphon mein engster Freund, obwohl ich gerade im letzten Jahr angefangen hatte, wieder viel mehr Tagebuch zu schreiben, statt zu sprechen, weil ich so besseren Zugang zum Text habe.

Und seltsam, als ich voriges Jahr eine ganze Reihe alter Texte aufgenommen habe, habe ich überhaupt nicht dran gedacht, daß mir das mal irgendwann mit eingeschränkter Sehfähigkeit zugutekommen wird. Hätte ich das geahnt, hätte ich das noch viel intensiver betrieben.

Lovely cats in St Petersburg

Liebe Post war letzte Woche ein Trost. Unter anderem diese herrliche Karte, die vor seltsam-beinigen „Koschki“=Katzen in St. Petersburg warnt.

Und ein Brief aus Colorado, mit einer herrlichen Georgia O’Keeffe und anderen goodies.

Snail mail from Colorado

Auch ein Trost war die Endnote des Studiums meines Kindes: 1,0. Aber nach dem Studium ist vor dem Studium und so geht es weiter mit einem Masterstudium und ihren Traumjob für die Knete nebenher hat sie auch bekommen: Arbeit mit ausländischen Student*innen.

Achtundzwanzigster Tag im Januar 2024

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Schock!

Vorige Woche sah ich die ganze Zeit über immer wieder mal Zacken, hielt das aber für Verspannungen oder einfach nur irgendeine Grille des Altwerdens.

Dann aber Freitagabend, blitzte es in meinem rechten Auge einmal auf und zurück blieb eine Schicht aus schmierigen grauen Flecken, die immer mitlaufen.

Gegoogelt konnte das so gut wie alles sein, vom Schlaganfall bis zur Netzhautablösung. Also fuhren wir gestern in die Notaufnahme der Augenklinik, die sich in einem sehr schönen Gebäude befindet.

Augenklinik Rostock

Leider überfüllt. Wartezeit 3 Stunden wurde uns gesagt. Am Ende waren es fünf.

Den Tag hatten wir uns anders vorgestellt. Eigentlich wollte unser Kind kommen und mit mir Kyrillisch üben und natürlich wollten wir lecker zusammen essen und lachen und….statt dessen saßen wir also im Flur des altehrwürdigen Gebäudes und warteten darauf, daß es langsam vorwärts ging.

Augenklinik Rostock

Wie immer versuchte ich mich auf das Schöne zu konzentrieren.

Die Leute waren freundlich. Ich mochte die Stühle. Eine Fotoserie war ausgestellt, die Bilder gefielen mir zum Teil. Es gab kleine Tische an Fensternischen, wo man ein wenig von der Straße sehen konnte.

Augenklinik Rostock

Ich unterhielt mich mit einer älteren Dame, die gerade frisch operiert worden war und sie machte mir Mut, weil sie sagte, sie habe solche Angst vor dem Eingriff gehabt und er war so harmlos. Sie habe gar nichts gemerkt.

Ich dachte: Blüht mir das auch? Wenn ich hinfühlte, sagte mir meine Intuition: Du hast nix. Also versuchte ich zu entspannen.

Hansa spielte gerade und irgendwann jubelte es aus dem Schwesternzimmer und ein Patient lief zu ihnen und guckte mit den Schwestern auf dem PC eine Weile das Spiel.

In einer Ecke stand ein schönes altes Klavier. Ich fotografierte es und schickte es meinem Kind. „Komm und spiel“. „Würd ich gern“ kam zurück.

27.1.24

Nach endlosen Stunden war ich endlich an der Reihe. Der polnische Arzt war schwer zu verstehen, erstmal bekam ich nur Augentropfen und mußte dann nochmal warten. Der Tag neigte sich in den Nachmittag. D. und ich zogen uns Käsekuchen aus dem Automaten, denn wir hatten zwar noch zwei Bananen eingesteckt, sonst aber kein Essen gehabt. Der Käsekuchen war sogar lecker.

Schließlich war ich dran. Und tatsächlich stellte sich mein Problem glücklicherweise als harmlose Alterserscheinung heraus, die sogenannten Mouches volantes. Klingt elegant, so nach einem Umhang, den man sich umschwingt, ist es aber nicht. Und leider verschwindet das nicht mehr.

„Aber“, so versicherte mir der Arzt mit krächzendem Akzent, „das Auge gewöhnt sich dran und das Ganze rutscht irgendwann ein wenig tiefer und dann sehen Sie es nur wenn Sie an eine weiße Wand gucken.“

Ich hoffe sehr, daß der Mann recht hat, denn momentan macht es mich noch wahnsinnig. Lesen ist damit ausgesprochen schwierig und ich bin nicht sicher, ob ich damit noch Autofahren könnte, nun gut, darüber nachzudenken ist müßig, denn ich habe ohnehin keinen Führerschein.

Aber auch so stört es total und ist noch eine weitere Unannehmlichkeit, von denen ich leider schon viel zu viele habe. Nun gut, ich habe auch Tinnitus und obwohl das auch zuweilen nervt wie nur was, hab ich mich dennoch auch dran gewöhnt.

Aber Augen! So wichtig.

28.1.24

Seltsamerweise bekam ich auch noch am Freitag das Buch „Der blinde Fotograf“ geschickt. Das habe ich mal vor vielen Jahren auf meine Wunschliste gepackt und jetzt plötzlich gebraucht, aber noch neu eingeschweißt für wenig Geld erstehen können.

Ist das Thema jetzt irgendwie dran? Muß wohl.

Fünfundzwanzigster Tag im Januar 2024

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Der Tod von Elke Erb. Unheimlich, denn noch vor 4 Tagen fiel sie mir ein, habe mir extra den „Frauen schreiben“ Band (dieses alte Stern Buch) rausgesucht, um über sie nachzulesen! Diese Zufälle immer!

Ihr Buch „Kastanienallee“, das mich interessieren würde, ist gebraucht nur noch für richtig viel Knete zu haben, auch schon vor ihrem Tod. Ihr Buch, das bei Suhrkamp erscheinen ist, werde ich mir vermutlich kaufen, ich las hinein und es hatte mich sofort.

Und mein Kyrillisch Lehrbuch kam. Nun lerne ich Buchstaben schreiben, wie als Kind.

24.1.24

Erinnerung daran, wie wunderbar das war, wie ich das geliebt habe die Buchstaben zu lernen, auch wenn ich sie ja schon konnte, aber ich liebte es dennoch, das Schreibschriftlernen. Schwing und schreib. Blöcke, Stifte, all das Wunderbare. Das nutzt sich nie ab.

Im Klassenzimmer hing eine Art Poster, dort war ein Haus abgebildet und man konnte nach und nach kleine Buchstabenkärtchen daran befestigen, immer durfte jemand von uns nach vorne kommen, den neuen Buchstaben befestigen und an die Tafel schreiben. Und wir schrieben das dann ab. Wieder und wieder. Schrift hatte schön zu sein. In Druckschrift zu schreiben war verboten.

In winzigen Schritten nähert man sich einer neuen Sprache.

Das Härtezeichen! Wunderbar. Mein Kind und ich sprachen neulich darüber, daß das der Name für eine Zeitschrift wäre.

Außerdem scheint das Russische den Diminutiven sehr zugeneigt zu sein, denn in vielen Texten wimmelt es nur von Mäntelchen und Tischlein, von Lichtchen und Tierchen.

Ich lese immer noch „Die grüne Schlange“.

Schlange heißt auf Russisch змея Zmeya, das Z wird ganz weich gesprochen mit einem leichten Zischen, schlangengleich.

Die Grüne Schlange hieße: Зеленая змея Zelenaya zmeya und das klingt einfach total wunderbar.

Das seltsamste Wort, das ich bisher entdecken konnte ist das Wort für Essig: Уксус Uksus. Das klingt eher wie etwas Anderes, wie Unsinn oder irgendeine Schelmerei oder etwas leicht unangenehmes (Dreck, der sich in Ritzen festsetzt) oder Bestechung.

Daß das y das u ist, erinnert mich an Wales, wo das w das u ist. Was dann auch erklärt, wie man seltsame Ortsnamen wie Cwmystwyth ausspricht (was allerdings immer noch abenteuerlich genug ist), vor allem wenn auch noch ein doppel-L dazu kommt.

Aber jetzt bloß nicht ins Walisische gleiten, sonst kommt mein oller Kopf ganz durcheinander.

The weather today

Im Zuge der Lektüre der „Grünen Schlange“ habe ich mein altes „Seelenübungen“ Buch von Rudolf Steiner wieder rausgeholt. Ja, die Anthroposophie und ich, eine sehr lange, sehr mäandernde Story. Der Witz ist: Ich kehre immer wieder dahin zurück, aber ich schlängle mich auch immer wieder davon.

Mit vielem kann ich nichts anfangen, aber vieles ist auch sehr beglückend. Von den dazu gehörenden Leuten halte ich mich fern, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß ich mich dennoch für Steiners Schriften interessiere.

Jedenfalls entdeckte ich eine interessante Übung. Über 7 Wochen meditiert man über Folgendes:

Woche 1              Ich verstehe die Welt

Woche 2              Ich weiß, was vor der Welt war

Woche 3              Ich dringe in göttliches Sein- Liebe leuchtet

Woche 4              Ich fasse göttliches Sein- Liebe begreift

Woche 5              Göttliches Sein strömt in mich

Woche 6              Liebe erfüllt mich ganz

Woche 7             Alle sechs Sätze zusammen

Mir fiel dabei sofort auf, wie elementar der Satz „Ich verstehe die Welt“ ist. Denn ich verstehe sie nicht. Mir fehlt jedwedes Verständnis für das, was gerade auf unserem Planeten los ist. Und so zurück gezogen ich hier auch lebe, es beeinflußt mich doch und läßt mich ein ums andere Mal fassungslos zurück.

„Ich verstehe die Welt“ ist ein wunderbarer Satz. 1923 geschrieben, mehr als 100 Jahre her. Damals nach dem ersten Weltkrieg muß er den Leuten genauso vorgekommen sein, so fern, so tröstend.

Einundzwanziger Tag im Januar 2024

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Sonntagmorgen (leichtes Morgenrot, 4°, sehr windig).

Ich liege lange im Bett und lese. Das erinnert mich an früher, als ich ein Teenager war und das auch so typisch war, sonntags sehr lange im Bett lesen.

Still in Russia (in my books)

Ich bin noch immer bei den russischen Autoren, habe mir gebraucht ein paar Bücher gekauft.

Augenblicklich lese ich „Die grüne Schlange“, das mir gut gefällt.

Reading now

Margarita Woloschin, geboren 1882 (und gestorben 1973, an meinem 7.ten Geburtstag, erstaunlicherweise) war eine russische Malerin und Anthroposophin.

Ihr Buch ist sehr schön geschrieben, ihre frühen Wahrnehmungen einer beseelten Welt, eine große Suche danach ihrem Dasein Sinn zu geben lesen sich interessant. Ich habe es etwa zur Hälfte gelesen.  

Ich hoffe, es wird nicht in einer Überverehrung „des Doktors“ ausarten, die leider oft nicht ausbleibt. Gestern sah ich eine gute Sendung des SFR über Steiner, die Reihe Sternstunden Philosophie mag ich ohnehin sehr, denn das ist sehr ruhig, sorgsam und angenehm moderiert. Man erfährt genug und wird nicht überfrachtet. TV so wie ich es mir wünsche.

In das Märchen von der „Grünen Schlange“ (von Goethe), dem Woloschin so nah stand, daß sie ihre Autobiographie danach benannt hat, bin ich auch noch mal kurz eingetaucht. Wunderbarerweise gibt es dort einen Habicht, der das Morgenlicht mit einem Spiegel lenkt. Daß mir ausgerechnet jetzt ein Habicht begegnet. (Ich nicke der Pflanze neben mir zu.)

Hamburg 12.8.

Die Bilder von Woloschin gefallen mir nur von der Farbgebung her, die Motive selber sind mir zu christlich. Aber ihre Selbstporträts gefallen mir. Muß doch noch mal beim nächsten Buch in der Steinerbuchhandlung in Hamburg nach ihr sehen.

Bei der Suche nach ihren Bildern im Netz entdeckte ich Olga Fröbe-Kapteyn, von der ich noch nie gehört habe. Sie ist nahezu unbekannt, nun aber wieder entdeckt. Ihre Bilder sehen aus wie Tarotkarten, eine sehr graphische, sehr esoterische Malweise, ein wenig Hilma Af Klint, allerdings in ganz anderen Farben. Sehr faszinierend, aber auch sehr hart und kalt. Sie war auch Theosophin. Interessant ist sie auf jeden Fall, aber ich kann mir ihre Bilder nicht ansehen, ohne mich nach einer Weile unwohl zu fühlen.

Nun sind die ersten drei Wochen des Jahres um.

Meine tägliche Bilderserie schreitet voran, ich weiß noch nicht, ob ich das wirklich sinnvoll finde, mache aber erstmal weiter. Hier gibt es die ersten 21 Tage zu sehen.

Unsere Black Betty (unser Auto) hat sich jetzt erstmal wieder eingekriegt. Unser AutoDoc sagt, es sei eventuell nur ein Wackelkontakt. Aber wir wissen nicht, ob der Wagen uns nicht unterwegs doch wieder ausgeht. Ich sehne mich nach einem Hamburgbesuch, aber es war mir bisher zu kalt dafür und die Angst mit dem Auto irgendwo unterwegs liegen zu bleiben zu groß.

Aber irgendwann ist es so weit, es wird ja bereits milder, der Schnee ist größtenteils weg, es ist stürmisch und morgen sollen 10° werden.

Fünfzehnter Tag im Januar 2024

Unser Auto schafft uns. Wir lieben es. Es uns aber nicht.

Am Freitag standen wir 2 km vor Zuhause schon wieder. Es meckerte, eine Lampe ging an. Wir sahen uns an. WTF….Also gut, Taxi rufen. Merkwürdigerweise meldete sich dort niemand. Wie kann sich in einer Taxizentrale keiner melden? Dann versuchte D. nochmal zu starten und seltsamerweise sprang es an, meckerte zwar immer noch, fuhr uns aber brav nach Hause.

Vorher hatten wir auf dem Feld einen Habicht gesehen, der sich an einem Fuchskadaver schadlos hielt und ich dachte: toter Fuchs=Ungemach. Seit Jahren ein schlechtes Zeichen.

Ich: „Ich glaube jedenfalls, daß das ein Habicht war.“ D. meinte: „Der Habicht erkennt die Gegenwart.“ (Hurz) Und wir kamen überein, daß das der beste Satz ever ist. Sowieso und überhaupt. („Ein Lurch lugt hervor.“)

Just an diesem Tag habe ich mir seit Jahren (wirklich Jahren, über 15) wieder eine Zimmerpflanze gekauft. Sie ist angeblich ein Raumverbesserer. Ich hoffe sie ist ein Weltverbesserer.

Habicht

Endlich mal wieder ein Lebewesen im Zimmer. Nun teilen wir uns einen Schreibtisch. Sie heißt Habicht.

Ich ließ gestern 4 Stunden Handpan Meditationsmusik laufen, damit Habicht sich wohl fühlt.

Jetzt erkennen wir zusammen die Gegenwart.

Am Samstag dann erhielt ich einen Brief aus der Ukraine. Einen langen, handgeschriebenen Brief, 8 Seiten lang. J. schrieb über Bäume, sie schrieb rührend und wunderschön über Bäume. Sie kommt aus Chenihiv. Ich sah mir dazu Videos an und fing an zu weinen. Ich dachte an J. im Keller, die sich nach ihren Bäumen sehnt. Nun ist es ruhiger und sie kann in den nahen Park gehen und die Bäume umarmen, die Enten und Moorhühner beobachten.

Warum jaule ich über ein kaputtes Auto, darüber daß wir kein Geld für ein Neues haben?

J. würde mit diesen Sorgen sicher gerne tauschen.

Sie schickte mir einen kleinen Kalender, auf dem das Sternbild Skorpion drauf ist. Sie ist auch Skorpion.

Sie schickte mir zwei schöne Postkarten, eine davon liebe ich total. Der Wes Anderson Fan.

14.1.24

Den gestrigen Tag verbrachte ich damit Briefe zu schreiben, auch einen an J.. Ich liebe den Gedanken kleine schöne Dinge in ein Land zu schicken, wo schöne Dinge vielleicht gerade rar sind. (Daß die Post überhaupt noch funktioniert!)

Ich benutze einen Stempel, auf dem steht „May you always be protected“, selten habe ich das so sehr gewünscht wie bei dem Brief in die Ukraine.